26
Jan

Im Lindenfeld wieder auf die Beine gekommen

Ursula Mötteli trat im Sommer 2021 mit einem schweren, lebensbedrohlichen Infekt ins Lindenfeld ein. Im November 2023 konnte sie wieder nach Hause. Mit ihrer feinfühligen, zurückhaltenden und doch offenen Art motivierte Frau Mötteli auf dem Weg ihrer Genesung andere Bewohnende. Ich selber habe viele Gespräche zum Thema Grafikdesign, Gestaltung und Kundenbeziehung geführt, denn als bis heute aktive Grafikerin habe ich es als wertvoll empfunden Ideen, Erfahrungen und Gedanken mit Frau Mötteli auszutauschen.
Es ist eine Erfolgsgeschichte, die auch aufzeigen soll, dass eine Pflegeinstitution viel zur Genesung und Lebensqualität von Menschen beitragen kann.
Wie Frau Mötteli die Zeit im Lindenfeld empfunden hat, was sie motiviert hat, wieder auf die Beine zu kommen und wie sie auf das Lindenfeld reflektiert, soll in diesem persönlichen Gespräch aufgezeigt werden.

Viel Freude beim Lesen!

S. Mayer: Sie sind im Juni 2021 mit einem schweren, lebensbedrohlichen Infekt aus dem Spital ins Lindenfeld eingetreten und waren sehr stark pflegebedürftig. Was ist passiert? Wie fühlten Sie sich zu diesem Zeitpunkt?
U. Mötteli: Die Ursache meiner Krankheit waren Bakterien und Viren, die über die Blutbahn in alle Gelenke gelangten und Infektionen auslösten. Sie waren unglaublich schmerzhaft. Zur diagnostischen Untersuchung wur-den sie mir operativ punktiert, wonach mein rechtes Knie steif blieb. An diesen Zeitpunkt erinnere ich mich kaum mehr, da mein allgemeiner Zustand sehr schwach war.

Nicht aufgeben…weiterleben!

S. Mayer: Sie waren drei Monate auf der Übergangspflege – was eher überdurchschnittlich ist; wie haben Sie die erste Zeit im Lindenfeld erlebt? Was war Ihnen zu diesem Zeitpunkt wichtig und welche Dienstleistungen im Lindenfeld haben Sie unterstützt?
U. Mötteli: Ich wollte aufgeben, sterben. Doch die Ärztin und das Pflegepersonal bemühten sich mit grosser Ausdauer, mir zuzureden und mich glauben zu lassen, dass eine Heilung mit medizinischer Unterstützung möglich sei. Daran habe ich festgehalten.


S. Mayer: Im September 2021 sind Sie auf den Langzeitbereich „Suhre“ in ein Mehrbettzimmer umgezogen. Wie haben Sie sich mit Ihren Zimmerpartnerinnen angefreundet? War das eine grosse Umstellung für Sie?
U. Mötteli: Nein, im Gegenteil, ich hatte sehr schnell Kontakt zu meiner Zimmerpartnerin. Was mir aber zu denken gab, war das Wort «Langzeitbereich». Ich konnte mir schwer vorstellen, mein Leben lang in diesem Zimmer verweilen zu müssen.

Freunde waren da und halfen

S. Mayer: Sie leben in Aarau und haben dort noch ein Zuhause. Wie haben Sie den Spagat zwischen Lindenfeld und Zuhause gemeistert? Hatten Sie Unterstützung?
U. Mötteli: Zuhause hatte ich grosses Glück – dank der Unterstützung meiner Freundin und meiner Nachbarin. Sie schauten während meiner Abwesenheit zu Haus und Garten. Aber auch mit den Wohnräumen wurde lang-sam begonnen auf- und auszuräumen, da es aussah, als könne ich nie mehr nach Hause zurückkehren. Das war schmerzhaft, mich mit diesem Gedanken zu tragen.

Mobilität dank konsequenter Therapie

S. Mayer: Ab April 2022 ging es Ihnen gesundheitlich besser – auf was führen Sie das zurück?
U. Mötteli: Die medizinische und therapeutische Unterstützung brachten mir allmählich Schmerzlinderung und Stabilisierung. Mein Allgemeinzustand wurde besser. Aber, ach, wäre da nicht noch während eines Ausflugs der Unfall mit meinem gebrochenen Halswirbel passiert…

S. Mayer: Was hat Sie persönlich motiviert, dass Sie wieder auf die Beine gekommen sind?
U. Mötteli: Vor allem meine therapeutischen Fortschritte haben mich motiviert. Angefangen beim ersten Mal auf den Bettrand sitzen, Stehen, in den Rollstuhl sitzen und zurück ins Bett steigen. Dann folgte das erste Gehen am Rollator und schliesslich auch am Gehstock. Mit dem habe ich mich heute angefreundet [schmunzelt]. Mit diesem kam ich sprichwörtlich wieder auf die Beine, was ich aber meiner unermüdlichen Therapeutin zu verdanken habe.

Viele schöne Erinnerungen im Gepäck

S. Mayer: Ich habe Sie als eine sehr integrierte und interessierte Person wahrgenommen – wir haben uns zu Design-/Layout-Themen unterhalten, Sie waren in der Aktivierungsgruppe, an Anlässen und auch regelmässig extern unterwegs. Sind Sie hier fast schon ein wenig heimisch geworden?
U. Mötteli: [lächelt] Ja, das stimmt. Von dem Moment an, wo ich sicherer und mobiler wurde, wagte ich es, an Aktivierungsprojekten, sei es Gestalten, Malen oder Kochen teilzunehmen. Grossartig sind die externen Angebote, die das Lindenfeld mit freiwilligen Helferinnen und Helfern organisiert. Das waren zum Beispiel eine Schifffahrt auf dem Hallwilersee, ein Besuch im Zirkus Monti, die Besichtigung einer Kürbisausstellung und als Höhepunkt eine Orchesterprobe im KKL Luzern. Wahrlich unvergessliche Erinnerungen!

S. Mayer: Wenn ich Ihre Geschichte reflektiere, staune ich: Sie sind mit einem ADL* von 15 (Anmerkung: Stufe 18 ist die Höchste) ins Lindenfeld eingetreten und sind mit einem ADL von 4 per Mitte November 2023 wieder nach Hause ausgetreten. Eine Erfolgsgeschichte? Wie fühlen Sie sich dabei?
U. Mötteli: Ich kann es selbst kaum glauben, wenn ich den Prozess meiner zweieinhalb jährigen Krankheitsgeschichte wahrnehme. Dass ich wieder zu mir zurückgefunden habe, dafür gibt es nur eines: dankbar sein!

S. Mayer: Was würden Sie Menschen empfehlen, die in einer ähnlichen Situation sind?
U. Mötteli: Wenn die eigenen Kräfte an die Grenzen stossen, trotzdem das Leben bejahen, nicht loslassen, Zu-versicht und Vertrauen nicht aufgeben. Womöglich eine persönliche Begleitung finden, die mit Verständnis, Ge-fühl und Respekt Hilfe zur Bewältigung der Probleme leisten kann.

S. Mayer: Wie wichtig ist ein adäquates Umfeld für die Genesung – z.B. Pflege/Betreuung, medizinische Betreuung, Aktivierung, Therapie, Gesellschaft Haus-intern, etc.?
U. Mötteli: Nur mit der Übereinstimmung des Umfelds in allen Bereichen des Hauses war eine Genesung, wie ich sie erlebt habe, möglich. Zu den medizinischen und pflegerischen Grundpfeilern gehört auch die Küche. Wie die Köchin oder der Koch täglich einen Teller anrichtet, das ist für die Gesundheit, den Gaumen und das Auge von Bedeutung.

S. Mayer: Gibt es etwas, was Sie uns noch mitteilen möchten?
U. Mötteli: Während meiner Genesung musste ich viel an das Zitat von Friedrich Nietzsche denken: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.

S. Mayer: Liebe Frau Mötteli, Ihre persönliche Erfolgsgeschichte motiviert und stimmt mich selbst glück-lich. Ich wünsche Ihnen weiterhin diese positive, lebensbejahende Einstellung.

*ADL ist der Grundpflege-Index und gibt Aufschluss, wie stark man auf Unterstützung in den alltäglichen Belangen angewiesen ist.

Das Gespräch führte Simone Mayer-Jacober, Leiterin Kommunikation & Marketing
Bildmaterial wurde von U. Mötteli freigegeben