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Apr

Im und am Wasser – Abschieds-Vernissage von Doris Steiner

Doris Steiner war während sechs Jahren als Aktivierungsfachfrau gemeinsam mit ihrer Kollegin Vreni Rickenbacher im Lindenfeld tätig. Per Ende Mai geht sie in Pensionierung und hat gemeinsam mit Bewohnenden eine Ausstellung organisiert, die Bilder aus der Zusammenarbeit zeigen. Das Thema Gewässer ist im Lindenfeld allgegenwärtig präsent – sei es auf den Wohnbereichen, die die Namen von Aargauer Gewässern oder Flüssen tragen oder um das Lindenfeld, das vor dem Demenzhaus „Haus am Teich“ einen selbigen hat. Eine Abschieds-Vernissage ganz im Zeichen des Lindenfelds – Doris Steiner hat mir auf meine Fragen Antworten gegeben und ich lade alle ein, dieses aufschlussreiche Interview zu lesen.

S. Mayer Du blickst auf sechs Jahre Lindenfeld zurück, in denen du als Aktivierungstherapeutin wöchentlich mit Bewohnenden kreative Dinge hergestellt hast. Was war dir besonders wichtig und auf was bist du stolz?
D. Steiner: Es ist mir wichtig, dass die Bewohnenden die kreativen Arbeiten gerne machen, dass sie das Material, die Art und Weise, wie vorgegangen wird, gerne machen. Die Sachen sollen nicht „kindisch“ rüberkommen. Es muss nicht unbedingt sein, dass sie die Tätigkeit schon früher gemacht haben, so können versteckte Talente entdeckt werden. Früher war oft keine Zeit für solche Sachen.

Farbe als Glücksmoment

Malen ist für viele Bewohnende schwierig. Sie sagen oft, sie können nicht malen und zeichnen. Mit dem Drucken gibt es eine gute Möglichkeit, mit Farbe, Pinsel und ganz unterschiedlichen Druckstempeln etwas entstehen zu lassen. Farbe tut gut, bis in den kleinen Zeh! Bewohnende haben Freude und sind stolz, wenn ihr Werk gut herauskommt und ihnen gefällt. Wir machen dann mit Ausschnitten der Bilder Karten, welche in unserem Verkaufskasten erstanden werden können. Und dass die Karten gut gekauft werden, macht uns allen Freude!
Meistens lasse ich die Bewohnenden machen, lasse es laufen. Voraus besprechen wir zusammen, welche Farbe, welche Stempel etc. Ich gebe zwischendurch Inputs und Anregung betreffend weiterem Vorgehen, male aber nicht ins Bild rein.

Bewohnende haben Freude und sind stolz, wenn ihr Werk gut herauskommt und ihnen gefällt.

Es freut mich jeweils, wenn ich merke, dass die Bewohnenden gerne kommen und ganz versunken bei der Arbeit sind. Es ist dann zwischendurch oft andächtige Stille. Sie können richtig abtauchen und sich ins Malen vertiefen. Aber es wird natürlich auch öfters gelacht.


S. Mayer Ihr habt meistens in kleineren oder grösseren Gruppen gewirkt. Hat es überhaupt Platz für Individualität?
D. Steiner In der Malgruppe sind höchstens vier Bewohnende, das ist vom Platz her ideal und ich kann dort unterstützen, wo es nötig ist. Individualität ist gut möglich und auch wichtig. Für jeden Bewohnenden muss eine Möglichkeit, eine Technik gefunden werden, welche zu ihm passt, ihm behagt und ihm auch möglich ist.

S. Mayer Wie hast du eine Begabung bei einem Bewohner bzw. einer Bewohnerin entdeckt? Konntest du diese fördern?
D. Steiner Tatsächlich werden manchmal Begabungen entdeckt. Am Anfang schaue ich, was passen würde. Und so geht es Schritt für Schritt weiter. Frau B. zum Beispiel hat am Anfang längere Zeit Ausmalvorlagen ausgemalt und dies sehr schön und exakt. Irgendwann konnte ich sie dafür gewinnen, das Drucken mit Stempeln zu probieren. Und es machte ihr zunehmend Freude und sie wurde immer selbständiger und kreativer. Sie sucht die Farben und die Stempel mit Bedacht aus, überlegt sich die Farbenzusammenstellung und arbeitet sehr genau.

Begabungen fördern

Frau R. stempelt sehr gerne, es ist auch ein gutes Training der Feinmotorik, denn da die Stempel manchmal rutschen, ist das nicht so einfach. Aber sie hat grosse Ausdauer und arbeitet jeweils sehr konzentriert und scheint in ihrer Welt zu sein.
Frau V. stempelt nicht immer, sie malt oft auch sehr schwungvoll, herzhaft und witzig, je nach Stimmung.
Frau U. stempelt schön und braucht öfters etwas Zuspruch, freut sich dann aber doch, wenn ihr das Bild gefällt.
Frau L. bringt oft Überraschendes aufs Papier.
Fr. W. malt üblicherweise Bilder aus, sehr genau. Sie hat eine sehr schöne, alte Schrift, so entstanden in Zusammenarbeit mit Frau M. ganz interessante Werke mit Text, Malerei und Druck!
Herr B. ist eigentlich nicht in den Malgruppen, doch sind von ihm zwei interessante und überraschende Bilder entstanden. Er arbeitete mit Schablone und Text, mit Wörtern, welche mit Wasser zu tun haben.
Frau H.: Sie ist noch nicht so lange in der Malgruppe mit dabei und sie sieht nicht gut – auch die Farben nicht. Aber durch selbständige Mischungen der Farben entstehen trotzdem schöne Drucke.

Konzentration beim Malen – Persönliches während des Wissenstreffs

S. Mayer Die Biografie eines Menschen ist spannend und im Pflegewesen äusserst wichtig, um eine Beziehung aufbauen zu können. Ich stelle mir vor, dass du ganz viele Geschichten während der Aktivierung gehört hast. Gibt es eine besonders eindrückliche, die du hier wiedergeben kannst?
D. Steiner Die Biografie eines Bewohnenden zu kennen ist sehr wichtig. Nicht immer wissen wir aber viel darüber. Doch in den Gesprächen kommt doch immer wieder mal etwas hervor. Die Bewohnenden erzählen etwas Persönliches vor allem dann, wenn ich mal mit ihnen alleine bin. Beim Malen sind sie eher konzentriert und „ruhig“.
Gespräche über dies und das kommt eher im Wissenstreff vor, wenn ein Thema behandelt wird und wir darüber reden und uns austauschen.

Doris Steiner (links) gemeinsam mit ihrer Kollegin Vreni Rickenbacher während eines Kreativanlasses

S. Mayer Du gehst nun in Pensionierung. Natürlich bin ich neugierig und möchte wissen, welche Pläne du nun hast
D. Steiner Ich freue mich auf mehr Zeit für Kulturelles und selber kreativ zu sein, vermehrt und gezielt zu malen. Zum Beispiel beginnt meine Pensionierung fast zeitgleich mit einem 1-wöchigen Malkurs im Engadin, im Rosegtal.
Zudem bin ich gerne in der Natur, arbeite gerne im Garten, wandere gerne. Vermehrt Konzerte besuchen, Ausstellungen besuchen, Freunde treffen etc. stehen auch auf dem Programm. Ausserdem wird mein Mann ab Juni 4 Monate auf einer Alp oberhalb Disentis verbringen und darum werde ich öfters auch dort sein. Aber die Begegnungen und die Kontakte im Lindenfeld, die Bewohnenden, die Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Vreni und dem ganzen Therapieteam werden mir fehlen.

S. Mayer Ich danke dir, liebe Doris, für dieses wunderbare Gespräch. Es berührt mich, mit welch‘ grosser Umsicht und dem Blick fürs Details du mit unseren Bewohnenden gearbeitet hast. Alles Gute für all deine Projekte!

Die Abschieds-Vernissage findet am Donnerstag, 27. April von 14.00-15.30 Uhr im Stübli, 1. OG (Therapie) im Lindenfeld statt. Die Bilder werden im West-Flügel aufgehängt. Im Anschluss wird ein Apéro offeriert, der mehrheitlich von Bewohnenden hergestellt wurde (Kuchen, Gebäck). Interessierte sind herzlich eingeladen.