07
Sep

Nachholbildung: Streng, aber lohnenswert

Die Nachholbildung richtet sich an Personen, die bereits auf Pflegeerfahrung in einer Gesundheitsinstitution zurückblicken können und einen eidgenössisch anerkannten Abschluss erlangen möchten. Sie werden Teilzeit angestellt, um berufsbegleitend das theoretische Wissen zu erlangen und dann nach erfolgreicher Berufsprüfung den Titel Fachfrau Gesundheit bzw. Fachmann Gesundheit tragen dürfen.

In diesem Blogbeitrag stelle ich Maureen Effiong (39 Jahre) und Nadja Saha (55 Jahre), zwei Fachfrauen Gesundheit vor, die den Spagat zwischen Beruf, Familie und Weiterbildung auf sich genommen haben und erfolgreich den eidgenössischen Abschluss erreicht haben. Warum sie sich zu einer Nachholbildung entschlossen haben, welche Herausforderungen und Tipps sie haben, ist in diesem Beitrag zu lesen.

Nachholbildung bedeutet, dass ihr eine Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt absolviert habt. Wie sah denn euer Berufsweg vorher aus?
Maureen: Schon während meiner Schulzeit war mit klar, dass ich einen Pflegeberuf erlernen möchte. Ich bin ein sehr sozialer Mensch, mag den Austausch mit Menschen – insbesondere mit betagten Personen. Ich bin seit 22 Jahren in der Pflege tätig und habe zu Beginn noch andere Jobs neben dem Pflegeberuf ausgeübt. Ich habe jedoch rasch gespürt, dass mein Herz nur für die Pflege schlägt. Als ich vor acht Jahren ins Lindenfeld kam, ging mein Herz auf und ich wusste, dass ich am richtigen Ort bin.

Und du, Nadja?
Nadja: Ich war ursprünglich Primarlehrerin in Algerien. Ich habe die Universität besucht, wollte eigentlich Medizinerin werden. Doch mein konservativer Vater unterstützte das nicht und wollte, dass ich Lehrerin werde – wie alle in unserer Familie. Ich habe geheiratet und eine Familie gegründet. Als ich dann in die Schweiz kam, habe ich via SRK den Weg in die Pflege gefunden, als Praktikantin und dann als Mitarbeiterin Pflege im Jahr 2014 im Lindenfeld begonnen. Das war mir aber nicht genug, denn ich wollte unbedingt vertieftes Wissen über diesen Beruf erlernen – wie gesagt, eigentlich wollte ich Medizin studieren. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich mich hier in der Schweiz in dem durchlässigen Bildungssystem weiter bilden konnte.

Das durchlässige Bildungssystem in der Schweiz ist toll und öffnet Türen.

Nadja Saha

Was hat euch motiviert die Nachholbildung zu absolvieren?
Maureen: Ich habe damals in Laufenburg meine Ausbildung zur Assistentin Gesundheit & Soziales gemacht. Dann wollte ich endlich mal arbeiten und Geld verdienen. Ich wurde jedoch schwanger und gab meiner Familie Priorität. Nun ist das aber schon 18 Jahre her und es kam der Moment, wo ich sagte, jetzt oder nie. Zudem hat es mich gestört, dass ich sehr stark in meinen Kompetenzen eingeschränkt war. Ich durfte als AGS nicht einmal Dafalgan, also ein Schmerzmittel, das jeder Haushalt hat, abgeben – ich musste immer eine Diplomierte fragen. Es tat mir weh einen Bewohnenden warten lassen zu müssen, wenn er ein Schmerzmittel brauchte, auch wenn es nur fünf Minuten waren – gefühlt war es für mich zu lange. Darum: jetzt oder nie, denn ich wollte mir mehr Kompetenzen aneignen. Das hat mich motiviert wieder die Schulbank zu drücken.

Nadja: Diese Entscheidung entstand bei einem persönlichen Ereignis. Meine Tochter bekam ein Baby per Kaiserschnitt und wollte mich gerne bei der Nachbetreuung dabei haben. Sie meinte, dass ich ja vom Fach sei und ich erwiderte, ich sei „nur“ Assistentin, ich kann das nicht. Das hat mich motiviert, die Nachholbildung zur Fachfrau Gesundheit zu beginnen.

Jetzt oder nie!

Maureen Effiong

Wie habt ihr die Nachholbildung im Lindenfeld erlebt?
Nadja: Das erste Lehrjahr war streng für mich. Wir hatten auf meinem Wohnbereich keine Berufsbildnerin. Ab dem zweiten Lehrjahr ging es dann gut. Ich durfte sehr grosse Unterstützung von der nun auf meinem Wohnbereich arbeitenden Berufsbildnerin und der Leiterin Pflege und Therapien erfahren. Dafür bin ich dankbar, denn es gab mir Stabilität. Das hat mich erneut sehr motiviert.

Maureen: Ich kann mich hier nur positiv äussern, denn ich hatte eine top motivierte Berufsbildnerin. Ebenso die Leiterin Pflege und Therapien, die sich häufig spontan Zeit für mich nahm und meinte „Ich zeig Ihnen das jetzt. Und das nächste Mal wissen Sie, wie es geht.“ Das war super! Ebenso bei der Theorie hatten die Kollegen:innen immer offene Ohren. Ich habe eine grosse Wertschätzung erfahren. Ich bin ein „Learning by doing“ Typ, bin praktisch veranlagt. Darum fiel es mir auch eher schwer der Schule Begeisterung abzugewinnen. Es war enorm viel Stoff – aber ich liess mich nicht entmutigen. Wenn es die anderen schaffen, dann schaffe ich das auch, war mein Motto. Nadja und ich haben uns auch gegenseitig motiviert – schliesslich wollten wir ja diesen Weg einschlagen, also ziehen wir das nun auch durch. Auch möchte ich meiner Abteilungsleiterin ein Kränzchen winden: Sie hat häufig zu mir gesagt, dass ich nun in die Lernbegleitung gehen solle, sie würde meine Arbeit übernehmen. Einfach toll und sehr motivierend!

Ich möchte meinen Traum, als Fachfrau Gesundheit zu arbeiten, leben.

Nadja Saha

Gab es Stolpersteine?
Nadja: Das erste Lehrjahr war mein Stolperstein. Aber meine Familie war ein grosser Rückhalt. Sie haben mich motiviert und so gab es ab dem 2. Lehrjahr keine Stolpersteine mehr.

Maureen: Mein Ego. Ich stand mir manchmal selbst im Weg. Doch ich merkte, dass ich eins nach dem anderen machen musste. Ich habe mir Zwischenziele gesetzt. Dann blickte ich zurück und merkte, wow, ich bin auf guten Weg.

Welche Träume und Ziele habt ihr?
Maureen: ich hoffe, dass ich weiterhin im Lindenfeld arbeiten kann und mich das Lindenfeld pusht. Ich möchte mich noch weiterentwickeln. Möchte überall einsetzbar sein. Zwar strebe ich keine HF-Ausbildung an, aber zum Beispiel Schulungen, um mir neues Wissen anzueignen.

Es ist hart, aber es lohnt sich. Eine kontinuierliche Weiterbildung ist sehr wichtig.

Maureen Effiong

Nadja: Ich möchte mich verbessern – möchte meinen Traum als Fachfrau Gesundheit zu arbeiten geniessen. Zudem den Traum mit meiner Familie leben – ich habe bereits ein Enkelkind.

Welche Botschaft möchtet ihr an andere Menschen senden, die auch eine Nachholbildung machen möchten?
Maureen: Es ist hart, aber es lohnt sich. Du hast nachher Kapazität und Freiheit. Besonders, wenn du von Herzen deinen Beruf ausübst, ist das kontinuierliche Weiterbilden wichtig. Ich werde anders wahrgenommen. Ich habe nun mehr Verantwortung, ich bin Vorbild und kann Menschen eigenverantwortlich helfen.

Nadja: Es ist nicht einfach, aber machbar. Es braucht Disziplin, Stabilität und Motivation. Es lohnt sich jedoch wirklich!

Ich wünsche euch beiden ganz viel Freude, inspirierende und berührende Momente in eurem Berufsalltag. Behaltet euer Engagement bei!

Das Gespräch führte Simone Mayer-Jacober, Leiterin Kommunikation & Marketing
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