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Sep

Pflege als Herzensberuf – Karin Bruder geht nach 43 Jahren im Pflegeberuf in Pension

Ende August ist Karin Bruder in Pension gegangen. Karin war die letzten sieben Jahre als Pflegefachfrau allgemeine Krankenpflege (heute Pflegefachfrau HF) auf dem Bereich Bünz „Übergangspflege“ tätig. Sie hatte sich auf Palliative Care sowie Beckenbodentraining und Aromatherapie spezialisiert und war auch in der Berufsbildung Kontaktperson für viele junge Menschen. Mit ihr geht eine Kollegin, die viel Persönlichkeit und Wissen ins Lindenfeld gebracht hat. Karin bezeichnet sich selber als eine Pflegefachfrau aus und mit Herzblut – schon als Fünfjährige entschloss sie sich nach einem Spitalaufenthalt diesen Beruf zu ergreifen und ist trotz einigen Stolpersteinen nicht davon abgewichen.
Im Interview mit Karin lasse ich ihren Werde- und Berufsweg Revue passieren.


S. Mayer: Du warst fast dein ganzes Berufsleben im Kantonsspital Aarau tätig – von der Chirurgie zur Gynäkologie, bevor du deine letzten sieben Jahre im Lindenfeld auf dem Bereich Bünz, der Übergangspflege, gearbeitet hast. Erzähl mir doch bitte von deinem Werdegang.
K. Bruder: Ja, ich war sehr lange im KSA. Zu Beginn, nach der Ausbildung im KSA,  auf der Chirurgie, wo ich zwei Jahre als Diplomierte arbeitete. Dann wurde ich Mutter und ging zunächst in den Mutterschaftsurlaub. Nachdem das zweite Mädchen auf der Welt war, arbeitete ich nochmals eineinhalb Jahre auf der Chirurgie. Anschliessend habe ich einen Abstecher zur Spitex gemacht. Mittlerweile war ich Mutter von vier Töchtern.
1994 begann ich in einem 20% Pensum auf der Nachtwache des Alters- und Pflegeheim Steinfeld. Schliesslich wollte ich im Jahr 1999 nochmals etwas Neues machen und bin wieder ins KSA zurückgekehrt. Dort habe ich auf der Gynäkologie gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit Frauen hat mir sehr zugesagt und ich habe mich dort fachlich und auch persönlich stark entwickelt. Schliesslich habe ich mich im Jahr 2016 entschieden ins Lindenfeld zu kommen; ich wollte für meine letzten Berufsjahre nochmals einen Wechsel wagen. Da ich das hohe Tempo des Spitalalltags gewohnt war, lag es für mich nahe, dass ich auf dem Bereich Akut- und Übergangspflege arbeiten wollte. Dort treten Menschen in Akut- oder unklaren Situationen ein, bevor sie entweder wieder nach Hause oder auf einen Langzeitwohnbereich kommen.

„Ich wollte nochmals einen Wechsel wagen.“

K. Bruder


S. Mayer: Der Bereich Bünz ist im Lindenfeld der sogenannte Übergangsbereich, sprich Menschen in einer Akutsituation kommen zu euch und werden unter Umständen auf einen anderen Wohnbereich verlegt oder gehen wieder nach Hause bzw. in eine Reha. Wie ein Bienenhaus, oder?
K. Bruder: Ja, genau, oft ging es bei uns zu wie in einem Bienenhaus, weil viel Unvorhergesehenes auch viel Flexibilität erforderte. Auch professionelles, rasches und überlegtes Handeln waren zentral. Eine hohe Eigenverantwortung und Verantwortungsbewusstsein unseren Klienten gegenüber, ist wichtig. Zu Beginn war es für mich nach meiner Arbeitszeit auf der „Gyni“ eine Herausforderung wieder mit männlichen Patienten zu arbeiten – einfach, weil ich mich thematisch umstellen musste. Aus pflegerischer Sicht war es für mich jedoch kein Problem.

Zunahme an komplexen Krankheitsbildern

S. Mayer: Was macht den Alltag hier so besonders?
K. Bruder: Die Komplexität der Krankheitsbilder und die Herausforderungen in unserem Beruf haben in den letzten Jahren massiv zugenommen.

S. Mayer: Ich durfte dich und den Bereichsleiter, Fabio Tedesco, im Jahr 2021 für einen Fachbeitrag zum Thema „Leben müssen – Sterben dürfen“ über Palliative Care und selbstbestimmtes Sterben interviewen, um einen professionellen Beitrag im Fachmagazin Pflegen:Palliativ publizieren zu können. Warum hat dich der Fachbereich Palliative Care in seinen Bann gezogen?
K. Bruder: Das Thema Palliative Care hat mich schon während meiner Zeit auf der Gynäkologie im KSA beschäftigt. Ich durfte mich in Bern zu diesem Thema weiterbilden und in meinen Alltag einbringen; ebenso das Thema Aromatherapie, was im Verlauf der palliativen Betreuung sehr angenehm sein kann. Im Verlauf der Zeit gewöhnte ich mich daran mit den Betroffenen über das Thema Tod zu sprechen – dennoch berührt es immer noch mein Herz und löst in mir ein besonderes Gefühl aus. Das hat unter anderem wohl auch damit zu tun, dass die Endlichkeit des Lebens erst ganz zum Schluss akzeptiert wird. Sich früher damit zu beschäftigen, möchte man nicht.

In ruhigere Fahrwasser navigieren

S. Mayer: Du kommst aus einem hoch getakteten Arbeitsumfeld nun langsam in ein wohl ruhigeres Fahrwasser. Hast du Pläne?
K. Bruder: Ich freue mich auf das ruhigere Fahrwasser – ob’s dann so ist, werde ich sehen [lacht]. Einer meiner ersten Taten wird das Ausmisten sein. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ich möchte sicher noch Spanisch lernen, aber auch meinem handwerklichen Flair nachgehen, wie zum Beispiel dem Töpfern oder Nähen. Da habe ich noch viele Ideen. Es ist mir aber auch sehr wichtig, dass ich mit meinem Mann, mit dem ich 40 Jahre verheiratet bin, Gemeinsames unternehmen kann. Er hat mir in den letzten Jahren, die ich hier im Lindenfeld engagiert war, stets den Rücken freigehalten. Er hat zum Beispiel immer etwas Feines gekocht, wenn ich müde aus dem Dienst nach Hause kam. Auch die Zeit mit meinen Töchtern wird mir sehr am Herzen liegen, denn auch sie haben mich unterstützt, sowie meine vier Enkel. Meiner Familie möchte ich hier ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen!

„Mein Mann unterstützte mich und kochte immer etwas Feines.“

K. Bruder


S. Mayer: Wenn du deine Zeit hier im Lindenfeld Revue passieren lässt, an was erinnerst du dich besonders gerne zurück?
K. Bruder: Oh, da gibt es viele. Doch ich erinnere mich unter anderem an unsere geselligen Jahresessen sowie den Ausflug nach Beckenried. Professionell kann ich zudem die Corona-Zeit nicht vergessen – es war eine sehr intensive anstrengende Zeit, die auch teilweise geprägt von Angst und Unsicherheit war.

S. Mayer: Was möchtest du uns Lindenfelder:innen mit auf den Weg geben?
K. Bruder: Ich wünsche euch einfach nur das Allerbeste auf eurem beruflichen und privaten Lebensweg. Es war eine tolle Zeit im Lindenfeld – und die wird mir in bester Erinnerung bleiben.

S. Mayer: Liebe Karin, du hast mir einen wirklich eindrücklichen, engagierten und vor allem herzensbestimmten Lebensweg geschildert. Ich danke dir für deine reflektierten Antworten und würde mir natürlich wünschen, dass wir deinen Esprit irgendwann im Lindenfeld in der Rolle der freiwilligen Mitarbeiterin geniessen dürfen. Alles Gute und bleib so offen und interessiert, wie ich dich während meiner Zeit hier kennenlernen durfte.

Das Gespräch führte Simone Mayer-Jacober, Leiterin Kommunikation & Marketing